Berlin, Savignyplatz
Leben im ZWIEbELFISCH
Seit seiner Eröffnung in den ersten Novembertagen 1967 hat der Zwiebelfisch am Savignyplatz in Berlin-Charlottenburg wechselhafte Zeiten mit mehreren Pächtern erlebt. Es kamen Schriftsteller und Architekten, Journalisten und Schauspieler, Bildhauer und Maler. Als Treffpunkt der links-intellektuellen Szene Berlins wurde dieser Ort schon bald zur Legende.
Im Spätsommer 1982 übernahm ein neuer Wirt das Lokal, und er prägte es auf eine ganz eigene, unverwechselbare Weise. Es wurde zu einer Kiezkneipe für alle sozialen Schichten. Ein „erzählender“ Ort mit reicher Geschichte und vielen Geschichten, die seine Legende immer wieder mit neuem Leben erfüllten. Ein Ort, der die Vielfalt der Menschen einer Großstadt in den vergangenen Jahrzehnten zum Ereignis werden lässt.
Im Januar 1995 habe ich den Zwiebelfisch für mich entdeckt, und ich bin für einige Jahre geblieben. Geboren und aufgewachsen in einem Dorf in Süddeutschland, beeindruckte mich von Anfang an, dass ich selbst von einer Kneipe aus – inmitten der Millionenstadt gelegen – den Wandel der Natur erleben konnte. So beobachtete ich durch ihre breite Glasfront nicht nur das Treiben auf dem Savignyplatz, sondern auch die unterschiedlichen Jahreszeiten. Letztlich waren es aber doch die Gäste des Zwiebelfischs, die mich zunehmend gefangen nahmen: ein faszinierender Mikrokosmos.
Meine Eindrücke habe ich in vielen Skizzen festgehalten. Daraus sind Geschichten von jungen und alten Menschen entstanden. Von Paaren und Einzelgängern; von Einsamen und Familien mit Kindern; von Obdachlosen, Managern im Nadelstreifen und Arbeitern im Drillich; von Künstlern und Wissenschaftlern, Literaten und Journalisten; von Zeitungslesern und Tavlispielern; von Tagträumern und Nachtschwärmern. Ich erzähle von denkwürdigen Festen und von der Geschichte dieser außergewöhnlichen Kneipe.
Zahllose Abendstunden, manche Nächte, oft auch den frühen Morgen habe ich im Zwiebelfisch verbracht. Ich erlebte eine Zeit der Annäherung an einen Ort und seine Besucher, die mir zuvor fremd gewesen waren. Distanz und Schemenhaftigkeit wichen einer wachsenden Nähe. Die Gäste verloren ihre Anonymität, sie wurden mir über die Jahre vertraut.
ISBN-13: 9783759755872
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